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Tri de Gre

Racebericht zum Triathlon Griechenland

  • Race hard, baby

Kann ich überhaupt noch racen? Bin ich immer noch so ein flinkes Wieselchen in der Wechselzone? Können meine Beine wirklich noch Vollgas rennen, nachdem sie gerade auf dem Rad mächtig in die Pedale getreten haben?

Das letzte Rennen war der Ironman 70.3 Dubai im Februar 2020 mit vollem Erfolg- hat ja bekanntlich n Slot für die Weltmeisterschaft für mich gegeben.
Das ist doch schon n paar Tage her.

Und ich muss es mir eben immer wieder beweisen. Einfach nur mir. Deswegen sind mir Rennen wahrscheinlich auch noch nie soooo wichtig gewesen, wie man es vielleicht bei meinen Trainingsumfängen meinen sollte. Es geht mir um den Kampf mit mir. Und mich zu „besiegen“ bzw. zu verbessern. Ob ich dabei schneller als Kevin, Dörte oder Chantal bin ist mir eigentlich völlig Ritz.
Geplant war der 70.3 in Venedig Anfang Mai. Abgesagt. Nicht sehr überraschend. Nachdem klar war, dass meine komplette Raceplanung 2021 wahrscheinlich auf Grund von dem kleines Mistvirus nicht annähernd so ausgehen wird, wie ursprünglich geplant habe ich mir was überlegt. Ich werde einfach meine Rennen für mich machen. Da, wo ich eben gerade bin. Und umfangstechnisch klein anfangen und mich jedes Mal etwas steigern. Denn wie wir alle wissen bedarf so n Wettkampf danach auch dann Zeit für Regeneration, darauf hab ich doch schon wieder keinen Bock. Aber ich weiss, dass ich nach ner Mitteldistanz nicht am nächsten Tag weiter machen sollte, als wäre nix gewesen, damit tu ich meinem Körper nicht gerade einen Gefallen. Und ich brauch das Schätzchen noch n bissl.

Es ist Anfang Mai und wir sind an der Küste von Griechenland. Sind über die Grenze und haben n ultimativen Stellplatz direkt am Meer gefunden. Es ist ein absoluter Traum. Die Voraussetzungen für n Triathlon könnten nicht besser sein.
Also los!

Startschuss ist 10:00Uhr- das mitten in der Nacht Aufgestehe und Frühstück um 04:30Uhr runterwürgen regt mich eh immer auf beim Ironman.

Zum ersten Mal vor nem Rennen war das Frühstück für mich köstlich und keine Qual.
Ich bereite mir meine Wechselzone vor. Wir stehen am Strand. Die Asphaltstrasse und somit meine Radstrecke ist einen knappen Kilometer weit weg. Dahin führt ein Schotterweg- unmöglich für die Greta, die gute Dame mag es glatt und nicht steinig. Also leg ich mir meine Barfusssocken parat um mit diesen an den Füssen und den Radschuhen in der Hand dann vor zu rennen (hätte auch die Radschuhe anziehen können, aber hab leider nicht 12 Paar neue Klicks zum wechseln mit, deswegen schone ich die Treter lieber).
Die Flasche mit Squeezy ist am Rad, das Gel liegt parat, der Helm, die Brille, was noch? Ich glaub ich habs. Ah, die Startnummer. Ich bastel mir fix selber eine. 55 Swiss Claudi (weil 5.5.).
Andreas macht die Drohne ready zum filmen und ich schlüpfe in meinen noch unbenutzten Racesuit und den Neo. Ich muss meine geliebten Birkenstock Treter bis zum Strand mit runter nehmen, weil ich unmöglich später barfuss von dort bis zum Ironvan laufen kann. Es hat irgendeine Pflanze, die überall so kleine stachelige Bölleli abwirft, und die sind echt fies, wenn sie im Fuss stecken, ich spreche da aus Erfahrung.

Ich blicke aufs Meer. Es ist ruhig und glatt wie ein Babypopo. Ich atme tief durch. In Gedanken läuft wie immer vorm Startschuss mein Lieblingssong (Can`t stop- von den Peppers).
Piep, piep, pieeeeeeeppppp...der Countdown ist in meinen Gedanken, der Puls steigt, ich drücke auf meiner Garmin auf Start und renne ins Wasser.

Tauche ein..und bin sofort drin. Im Racemode.

Ich war mir nicht sicher, ob das funktioniert. Ob die Zwiebel nicht merkt, dass ich sie austrickste und nicht wirklich im Rennen bin. Aber es fängt alles im Kopf an. Und in den letzten Wochen, seit wir on the road sind habe ich meine Rübe doch sehr stark trainiert und ihr einige neue Inputs gegeben. Eventuell ja mit Erfolg.
Ich sehe vor meinem geistigen Auge eine Boje, auf die ich zusteuere. Parallel zum Ufer. Ich zähle. Ich zähle immer beim Schwimmen, deswegen weiss ich, bei welcher Zahl ich ungefähr bei wie viel Metern sein müsste und drehe nach Gefühl um meine imaginäre Boje um.

Ich sehe Andreas am Strand, ich höre die Drohne über mir. Ich weiss, ich bin nicht allein. Ohne Begleitung open water im Meer finde ich einfach immer nicht so geil aus Sicherheitsgründen, aber so war es irgendwie überhaupt kein Problem.
Ich komme raus, schaue auf meine Garmin, drücke für T1 und hab ne Punktlandung hingelegt, exakt soweit, wie ich schwimmen wollte. Jetzt käme hier eigentlich der Smiley mit der Pornobrille.
Ich suche meine Birkis im Sand (ohne Kontaktlinsen- der blinde Fisch lässt grüssen) und öffne den Neo. Mit meinem neuen Modell von Sailfish hatte ich noch nie n Race. Es ist eine Umstellung, weil der Reissverschluss in die andere Richtung aufgeht, als bei meinem alten Neo, aber es klappt tip top.
Ich renne die 200 Meter in meine Wechselzone, schäle das letzte Stück Wetsuit runter, wurschtel mir die Barfusssocken an. Helm auf die Rübe, Brille auf die Nase, Startnummer ran, Squeezy Gel einpacken, Schuhe schnappen und los. Das ging fix.
Der Kilometer bis zur Asphaltstrasse vergeht rubbeldiekatz. Ich schmeiss die Socken ins Gebüsch und schwing mich auf meine geliebte Greta.

Und ich strahle. Radfahren. Oh ja, Radfahren.

Die Startnummer habe ich in meiner Wechselzone übrigens leider verloren, sammel sie aber auf dem Run später wieder ein und trag sie artig nach Hause, um den „Müll“ nicht in der Natur liegen zu lassen.
Ich habe keine Ahnung, wo die Strasse hinführt und wie weit sie geht. Aber ich fahre einfach. Sie ist ziemlich flach und es geht ein leichter Rückenwind. Kein Grund zur Euphorie, nach dem Turning Point kommt der Wind schliesslich von vorne. Aber egal. Ich strahle wie die kleine Luise und radel mit Schnauze tief auf der Greta meine vorgenommenen Kilometer erfolgreich ab. Es vergeht wie im Flug- leider viel zu schnell.
Zurück am Startpunkt die Socken aus dem Busch gefischt und die lange Wechselzone T2 in Angriff nehmen. Jeder, der Triathlon macht, weiss genau, wie sich die Schritte nach dem Bikepart anfühlen. Wie stehen. Du hast das Gefühl, du kommst keinen Meter voran, weil die Rübe nicht so schnell umschalten kann zwischen der Geschwindigkeit die man auf dem Rad hatte und der, die man dann mit zwei Beinen hinlegt. Ich vergleiche das immer mit dem Abfahren von der Autobahn. Eben noch 190km/h und plötzlich 50er Zone (also ich hoffe ihr fahrt nicht wie ich gerne 190, das ist ganz doll böse und gefährlich und das darf man nicht!).
Zurück am IronVan grinst mich Andreas mit einem Nutellabrot in der Hand an und jubelt mir zu. Einwandfrei. Greta hingestellt, Schuhe gewechselt, Cap auf, imaginäre Startnummer gedreht und Gas. T2- check.

Im Laufen liegt mein grösstes Verbesserungspotential, das ist mir bewusst.

Schwimmen tue ich im Wettkampf immer im gesunden Mittelfeld, auf dem Rad bin ich unter den Frauen in meiner AK ziemlich weit vorne mit dabei. Und dann kommt der Rennpart. Jede verdammte Hausfrau, die ich eben auf dem Rad noch hab links liegen lassen (und überlegt hatte ob ich n Rettungshubi für sie bestellen sollte, weil sie beim strampeln aussah, als wenn sie gleich verreckt) rennt fröhlich flötend auf ihren kleinen verdammten Grösse 36 Vorfuss an mir vorbei und lacht sich ins Fäustchen.
Und ich. Ich renne auch. Und ich lächel auch. Weil ich Spass habe, bei dem, was ich tue. Aber ich weiss, meine Laufleistung ist Ok. Sie ist eben nur okay.
Sie hat Luft nach oben.
Ich lese die Zeilen gerade nochmal und stelle fest, das klingt, als wenn ich total die Nulpe beim Run bin und rumkrieche. Also formuliere ich es nochmal: Ich würde sehr gerne noch schneller laufen können, als ich es jetzt tue während der Wettkämpfe. Deswegen lege ich aufs Rennen seit letztem Jahr auch einen wesentlich grösseren Fokus.
Und das scheint sich langsam bemerkbar zu machen. Ich schaue nach dem ersten Kilometer auf die Uhr und traue meinen Augen kaum, was ich dort für eine Zahl sehe. Wow! Ok- ne, viel mehr als okay. Und nun der entscheidende Punkt. Vor nem halben Jahr wäre jetzt in meinem Kopp folgendes passiert:

„Altääää, bist du bescheuert? Die Pace kannst du niemals halten du Waschlappen, das wissen wir beide. Du wirst gleich n gehörigen Einbruch kriegen und dich dann die nächsten Kilometer wie ein Pinguin über die Strasse schleppen. DU KANNST NICHT SO SCHNELL RENNEN, VERSUCH ES DOCH GAR NICHT DU NULL!“

Aber nicht so beim Tri de Gre.
In meinem Kopf passierte etwas völlig Anderes:
„Du bist aber auch echt ne verdammt geile Granate, super machst du das! Jetzt hau die Hacken in Teer und gib ihm die Sporen, du kannst das. Denk an deine Arme, halt die Schrittfrequenz schön weit oben, atme entspannt durch den nicht vorhandenen Schlüppi und bringt das Schätzchen nach Hause, du krasses Tier!!!“

Und das tat ich. Ich rannte strahlend über die (nicht vorhandene) Finishline.

Ich habe im Laufen offensichtlich Fortschritte gemacht, was mich natürlich sehr freut und weiterhin motiviert, etliche Kilometer im GA1 Bereich runterzuschrubben. Auf dem Rad war meine Leistung wie zu erwarten. Race normalerweise ja mit meinem Bro (dafür sind die Strassen hier jedoch leider zu schlecht), aber auf der Greta war auch mal ne coole Erfahrung. Und die Beinchen scheinen noch gut Wumms zu haben, also einfach weiter machen, wie bisher.
Beim Swim habe ich natürlich Zeit eingebüsst. Bin sonst mindestens meine 30 Kilometer im Monat geschwommen und jetzt haben wir ja alle das Becken doch längere Zeit nicht nutzen können. War ja nun ein paar Mal im Meer trainieren und merke, das das Gefühl fürs Wasser langsam wieder kommt. Und wenn das wieder vollständig da ist, dann werde ich anfangen, mich wieder mit dem Thema Geschwindigkeit im Wasser zu beschäftigen. Aber für diese grosse Lücke im Traingsumfang Swim bin ich doch noch zufrieden mit der Leistung.

Ich kann es noch. Die Einstiegsfragen sind somit für mich beantwortet.
Absolut zufrieden habe ich den „Tri de Gre“ gemeistert. Ich hatte Spass wie Sau. Auch ohne Zuschauer, auch ohne Medaille, auch ohne Ärsche, auf die ich geschaut und denen ich hinterhergejagt bin. Denn ich habe mir selbst bewiesen, das ich auch ohne Druck von anderen absolut in der Lage bin, an meine Grenzen zu gehen und das aktuell Beste aus mir heraus zu holen.

Danke an Andreas, für die grossartigen Drohnenaufnahmen und die tägliche Unterstützung bei meiner Leidenschaft, dem Triathlon. Danke, dass du immer verständnisvoll und begeistert schaust, wenn ich dir meine Zahlen um die Ohren haue, auch wenn du nur Bahnhof davon verstehst ;)

Danke an meine Partner, dass sie auch in so einem schwierigem Jahr an meiner Seite sind:

Taurus Sports
Salming
Love Your Neighbour
Squeezy Sports Nutrition
Schulthess Klinik
Yogaboutique.ch
Sailfish Triathlon
Chraftfuetter
Halcoura
Gümmelei (der Racesuit ist perfekt!!!)