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Mit 70.3kg beim Ironman 70.3

Medical Emergency oder flat tire?

  • Race hard, baby

Ende des fünften Monats. Schon anständig paar Kilogramm mehr auf der Hufte. Aber die Schwangerschaft läuft weiterhin fantastisch und ohne nennenswerte Probleme.

Also spricht nichts dagegen im Rahmen meiner Funktion als Spielerfrau zu fungieren und mit dem Lieblingsmenschen gemeinsam zum Ironman 70.3. nach Jesolo zu fahren.

Außerdem wurde es ja wirklich auch Zeit, dass Principessa im Bäuchi endlich mein geliebtes Meer kennenlernt.
Um es vorweg zu nehmen- sie hat auch wundervoll drauf reagiert. Beim Meeresrauschen und mit den Füßen im Sand hat sie mir den ersten spürbaren Tritt verpasst. Was für ein bedeutender Moment und Shoutout an die hormonelle Dysbalance, die mir sofort die Tränen in die Augen getrieben hat vor Glück.

Mit n bissl Stau kommen wir nach 7h am Freitagnachmittag in Bella Italia an. Bombastisches Wetter, gewohntes Terrain. Bereits im 2022 waren wir gemeinsam hier, als ich an der Startlinie stand und Andy mich supportet hat. Für mich damals eines meiner schönsten Rennen.
Wir haben n null acht 15 Hotel nur 2min vom Strand und somit auch vom Schwimmstart entfernt. Perfekt.

Die Registration läuft fix und komplikationslos ab und Andy kauft seiner Tochter einen kleinen rosa Ironman Strampler. Dieses Klischee mussten wir einfach erfüllen, weil es zu zuckersüß ist.

Danach geht's an den Strand. Für mich mit Buch auf die Sonnenliege und für Andy mit Neo in die Fluten, wieder ans Schwimmen im Meer gewöhnen. Ist natürlich auch das erste Race der Saison und der Junge aus den Bergen wird mit dem Meer auch nie so warm werden, wie ich Klippenpisser, die an der Ostsee geboren wurde.
Aber er kommt zufrieden wieder raus. Keine übermäßigen Wellen, keine Quallen, kein nüscht. Alles super. Gut gelaunt schrauben wir uns die erste von vielen Pizzen rein.

Die Strecke müssen wir nicht mehr groß checken, die hat sich seit damals nicht geändert. Also kommt glatt n bissl entspannte Ferienstimmung auf.
Am nächsten Tag füllt sich das kleine Örtchen immer mehr. Die Triathloten, wie ich sie so gerne nenne, sind überall.
Einmal mehr fällt uns auf, dass diese Materialschlacht immer krasser wird. Was da an Kohle auf zwei Rädern geschoben wird. Auch am Raceday muss ich ab und an schmunzeln, als auf der Laufstrecke Typen mit den neuesten Carbon Tretern in ner 6:30er Pace an mir vorbei kriechen. Und der geilste Aerohelm und das krasseste Canyon nützt dir übrigens gar nicht so viel, wenn du 150 Watt av. fährst (dann kannst auch die Haare an den Beinen wachsen lassen). Ach, ich werd schon wieder böse, tschuldigung.

Raceday

Wetterbericht sagt ab 14:00Uhr Unwetter. Okay, bis dahin sollte Andy ja 3x wieder im Ziel sein. Die Sonne geht wunderschön über dem etwas welligen Meer auf. Andy ist entspannt. Die Stimmung super und wir schlendern in die Wechselzone. Es bleibt uns genug Zeit, danach nochmal zum Hotel zu flitzen und die Velopumpe abzustellen (mit Babybauch ist halt nicht so geil, die auch noch den ganzen Tag zu schleppen).
Ich liefere den Mann am Schwimmstart ab und werde glatt nochmal n bissl sentimental, weil es mir in den Füsschen kribbelt, bei diesem bekannten Gefühl in der Startbox.

Auf geht's. Halb acht ist Start. Ich suche mir n schönes Fleckchen am Anfang der Velostrecke und hab bereits 8000 Schritte auf der Uhr. Eigentlich ja kein Problem, aber man ist ja eben auch mit fast 10kg mehr unterwegs und das ist spürbar.
Der Tracker funktioniert überraschenderweise zuverlässig und ich sehe, dass Andy mit einer zufriedenstellenden Zeit aus dem Wasser kommt. Die Freude ist riesig, als er an mir vorbeiheizt und ich ihm diese zuschreien kann. Kurz danach sehe ich ihn nochmal auf dem Rad und dann geht's für ihn raus in die italienische Pampa. Immer der schlimmste Part, weil die Gefahr, dass was passiert jetzt natürlich am größten ist.

Aber ich weiss ja, mein Mann kann Rad fahren.

Ich spaziere am Strand lang, gehe gefühlt 100x Pipi und verfolge jeden Meter auf dem Tracken der Ironman App. Andy holt auf, wie Sau. Platz 43, als er aus dem Wasser kam, ist er mittlerweile schon auf Platz 5 vorgefahren.

Und dann… bleibt der Tracker bei Kilometer 63 stehen. Zum Verständnis: Der Tracker ist am Knöchel der Athleten befestigt, sie haben natürlich kein Handy oder sonstwas dabei. Der Tracker sendet jedes mal ein Signal, wenn der Sportler über eine Zeitmatte fährt und schickt dann die Zeit auf die App. Es ist also kein GPS Sensor, der genau sagt, wo der Mensch da draußen gerade ist.
Ab und an kommt es vor, dass ne Zeitmatte spinnt. Und der Tracker also zwischendurch nicht funktioniert. Das haben wir schon etliche Male erlebt und meistens fängt es sich aber auch schnell wieder. Also kein Grund auszurasten. Aber in diesem Fall ist es anders. Und das spür ich sofort. Als er nicht über die nächste Zeitmatte fährt weiss ich, es stimmt was nicht.

Ne Stunde später hätte Andy schon auf der Laufstrecke sein sollen. Ich habe Hoffnung und stelle mich gleich an den Anfang vom Runcourse. Ich sehe die Jungs vorbeilaufen, die vor ihm auf dem Rad waren. Und er kommt nicht. Spätestens da ist klar, dat stinkt hier gewaltig.

Ich gehe zur Wechselzone und sein Rad ist nicht da.

Also kann ich ausschließen, dass der Tracker einfach nur hinüber ist und ich Andy verpasst hab. Ich versuche so n Typen von Ironman ranzuwinken. Als Zuschauer kommst du natürlich auch nicht in die Wechselzone, wo die wie die Ameisen rumlaufen. Aber sowas wie n Help Point gibt es bei Ironman eben leider nicht. Ich habe Glück und erwische einen ganz netten Mann, der auch etwas Englisch spricht und sich an den Funk klemmt und abklärt, ob Andy auf der “Mecical Emergency” oder “ Flate Tire” Liste steht (wenn Helfer von Ironman jemanden draußen auf der Strecke einsammeln, dann wird seine Startnummer auf einer der beiden Liste registriert- ist sie aber nicht”). Soll ich jetzt beruhigt sein? Nicht wirklich. Weil ich sicher bin, dass eins von beiden der Fall ist. Und ich kann nichts machen. Ich kann nicht rausfahren, weil die Strecke ja komplett für Autos gesperrt ist. Die Zeit vergeht endlos langsam. Irgendwann gehe ich zum Hotel zurück, falls Andy doch einen Platten hatte und man ihn mit dem Bus zurückgebracht hätte. Fehlanzeige- auch da ist er nicht. Liegt er irgendwie schwer verletzt auf dem Acker?
Nach 2.5h aufatmen. Andys Papa schreibt im Familienchat, dass er eine Nachricht von einer italienischen Nummer bekommen habe- Andy steht draußen auf der Strecke und warte auf einen Mechaniker, das Vorderrad sei platt, aber es gehe ihm gut (welche Handynummer kannst du auswendig? Wir haben unsere gegenseitig noch am nächsten Tag gelernt, weil es uns eine Lehre war)

Falls du also an dem Tag n Erdbeben gespürt hast, dann war es der Stein, der von meinem Herzen gefallen ist, vor Erleichterung.
Am Abend berichtet Andy, dass er einem anderen Athleten ausweichen musste, der spontan und ohne Grund nach links gezogen ist. Dabei ist er in ein riesen Schlagloch und sofort ist ihm der vordere Reifen um die Ohren geflogen.
Jetzt kommst du und sagst, warum fährt er nicht tubeless? Ich verrate dir nicht, dass ich in Schweden beim Ironman trotz tubeless n Platten hatte und ebenfalls 2h auf n Mech warten musste- ich habe das Rennen danach abgebrochen, weil ich so unterkühlt und so gefrustet war.
An Andy sind in dieser Zeit neun(!!!) Menschen vorbeigefahren, die seine Startnummer aufgenommen haben- und trotzdem stand er auf keiner dieser verdammten Listen. Was ist los Ironman? Müsst ihr den Blutdruck einer Schwangeren unnötig in die Höhe treiben? Es ist mir sowieso ein Rätsel, warum man im 2025 sein verdammtes Rad mit nem Airtag ausrüsten kann und sieht, wo in Taiwan am Flughafen es gerade ist, aber es nicht möglich ist, einen verdammten Athleten so auszustatten, dass ich innert nem Radius von 90km sehen kann, wo sein knackiger Arsch gerade ist??? Alter, wir können zum Mond fliegen.

Endlich kommt Andy auf die Wechselzone zugerollt.

Kurz vorher sieht er mich am Streckenrand stehen und hält an. Er fragt, ob Baby und ich noch stehen mögen und ob er noch rennen darf, oder ob er lieber aufhören soll. Vor Erleichterung ihn zu sehen, fange ich sofort wieder an zu flennen und platze vor Stolz, dass er wirklich noch laufen will. Respekt. NIEMALS- wäre ich jetzt noch gelaufen. Nachdem er 2.5h ohne Getränke in der Sonne in der Pampa gegrillt wurde, rennt er einfach noch in knapp ner 4er Pace den Halbmarathon.

Ich warte im Ziel auf ihn und hatte nie soviel Respekt vor seiner sportlichen Leistung wie an diesem Tag. Keine Langdistanz und keine Bestzeit hat mich so beeindruckt wie dieser Biss, den er bewiesen hat, dass er dat Schätzchen nach Hause gebracht hat. Das nenn ich Kampfgeist und davor zieh ich absolut meinen Hut.

Natürlich überwiegt bei Andy vorerst die Enttäuschung und der Frust über den Defekt, aber schlussendlich kann er sich ausrechnen, wo er gelandet wäre, wenn das nicht passiert wäre und dann ist er doch auch wieder zufrieden.
Es war der längste 70.3, bei dem ich je Spielerfrau war. Und natürlich recht peinlich für Andy, zu wissen, dass ich ihn damals eben wesentlich schneller gefinsiht hab 😛.

Jesolo wird uns sicher wieder sehen. Denn für uns beide steht fest, es ist trotz allem ein wunderschönes Rennen und absolut zu empfehlen. Schöne Gegend, super Strecke, tolle Stimmung an der Strecke.
Das Unwetter beginnt schlussendlich erst am Abend…zum Glück ist der Wetterbericht so zuverlässig, wie die Aussagen der Helfer von Ironman.

Unterm Strich…alles egal. Gesund im Ziel.

Ich bin so dankbar. Ick hatte wirklich die Buchsen voll. Passieren kann immer was, auch wenn wir das zu gern ausblenden.

In diesem Sinne, lass mal dankbar sein.