
Ich hab Freiheitsluft geschnuppert- Jetzt aus dem Weg, ich muss tanzen :-)
Vanlife: Day 14
- IronVan
Andreas und ich haben uns vor 17 Monaten kennengelernt und wollten eigentlich nur beide ganz unverbindlich n paar Wochen unseren Spass. Nun haben wir uns in ein Abenteuer gestürzt, von dem wir nicht wissen, was es mit uns machen wird und ob es überhaupt unsere Welt ist.
Ich habe mich gefragt, wie lange es dauert, bis ich mich das erste Mal „entschleunigt“ fühlen werde.
Und wie sich das eigentlich anfühlt.
Ich hatte einmal in meinem Leben drei Wochen Ferien. In dieser Zeit eine Mitteldistanz und eine beendete Beziehung, war also nicht gerade erholsam.
Wir sind seit fünf Tagen an diesem Ort (seit 14 Tagen on the road). Ein bisschen ausserhalb von Pirovac, irgendwo zwischen Zadar und Split an der Küste von Kroatien.
Wir haben wieder einen Stellplatz direkt am türkisblauen Meer. Kein Mensch geht uns hier auf die Eier.
Im Sommer ist in dieser Gegend Hochbetrieb, aber die Saison hat noch nicht angefangen und so stehen wir allein auf einer Strasse, auf der ich Yoga machen kann, weil nur alle Jubeljahre mal ein Auto vorbei kommt.
Wir sind von der Sonne gesteuert.
Diese weckt uns am Morgen, indem sie durch das Dachfenster direkt über unserem Körbchen scheint.
Kaffee ist bei uns schon lange nicht mehr auf Knopfdruck, sondern dieses italienische Kännchen (kann mir nie merken, wie das heisst) blubbert jetzt über der Gasflamme, statt auf dem Ceranfeld.
Schmecken tut er noch viel besser, weil wir ihn draussen trinken. Gemeinsam mit einem Blick zum Himmel und nem Check der Wettersituation.
Dann wird nach Bauchgefühl entschieden, wie es weitergeht. Nicht nach Outlook, nicht nach Trainingsplan, nicht nach anderen Menschen. Sondern nur wir beide, nach Lust und Laune.
Für mich folgt in der Regel Yoga. Das ist ja nun schon seit über einem Jahr meine Morgenroutine. Aber es ist so was Anderes, seit wir unterwegs sind. Mein Kopf ist schon nach dieser kurzer Zeit soviel freier. Meine Gedanken kann ich so viel leichter wegwischen, sie in Wölkchen packen und hinauf aufs Meer schicken, denn jetzt ist meine Zeit.
Logisch, worüber soll ich mir auch Gedanken machen, ich lebe ja schliesslich gerade meinen Traum.
Und klar lenkt Meeresrauschen weniger davon ab, im Kopf frei zu werden, als Getrampel und Geschrei von Nachbargören.
Wir frühstücken eine Bowl mit frischen Früchten und Müsli und die Sonne scheint uns dabei schon volle Hanne in die Gusche.
Es geht weiter mit Training für mich. Laufen entlang der Klippen, Radfahren, natürlich immer mit Gegenwind ;).
Jetzt komm ich aber nicht Zuhause an, kann mich fix unter die heisse Dusche stellen und dann den Kühlschrank aufmachen und innerhalb von ner halben Stunde auf vier Platten mit tausend Küchenutensilien ein Festmahl kredenzen.
Ich tropfe wie n Kieslaster und stinke wie n Skunk. Also ab ins Meer. Mit Waschlappen und (ökologischer) Seife. Waschen- ein hoch auf die kurzen Loden. Und wie schnell wachsen bitte Haare an den Beinen?
Die tägliche Körperpflege ist ein Fest.
Es ist nichts mehr, was wir nebenbei husch husch machen. Sondern wir zelebrieren es. Dieses Gefühl in aller Ruhe mit dem Arsch auf den Klippen zu sitzen und sich zu reinigen. Ich kann mich nicht entsinnen, je eine Dusche so intensiv erlebt zu haben.
Das Selbe gilt fürs Abwaschen. Wir reisen mit Melamingeschirr- bruchsicher und leicht (und wenig). Es hat fast schon was Meditatives. Okay, jetzt denkt ihr, die Olle spinnt wirklich total. Aber es ist soo, sooo schön, mit den Füssen zwischen den Seeigeln zu stehen, und Teller, Besteck und Töpfe zu spülen. Und die Freude, es danach abzutrocknen und den Schrank wieder voll zu haben. Geschirrspüler ausräumen war nicht gerade ne Tätigkeit, bei der mir regelmässig einer abgegangen ist, ganz im Gegenteil.
Es gibt noch gefühlt tausend andere Sachen, die wir an den verschiedenen Tagen machen, auf die ich ein anderes Mal näher eingehe. Wie wir unsere Klamotten sauber kriegen, was Andreas ist der Zeit macht, wenn ich am trainieren bin usw.
Entschleunigt bin ich. Das kann ich so unterschreiben.
Ich fühle mich nicht wie im Urlaub, aber ich habe auch noch nicht realisiert, dass ich mein Zuhause dabei habe und keine „Base“ irgendwo auf mich wartet.
Ich geniesse es, gefühlt all den Schlafmangel der letzten 33 Jahre nachzuholen, indem wir locker 10h jede Nacht pennen. Ohne Zwang. Wir gehen einfach ins Bett, wenn wir müde werden und stehen auf, wenn die Sonne durchs Fenster kriecht.
Es gibt kein Handy mehr im Nest.Unsere Online Zeit ist spätestens eine Stunde vorm Schlafen beendet- vielleicht ist da was dran an dem Quatsch mit dem bösen, schlimmen blauen Licht, was so n Einfluss auf die Schlafqualität hat!?
Allgemein verbringen wir kaum Zeit an den Mobiltelefonen. Wir haben uns ne kroatische Sim Karte gekauft und somit genug Datenvolumen, um eigentlich so wie „früher“ weiter aktiv zu sein. Aber ich hab mir im Vorfeld geschworen, ich werde nicht im Paradies sitzen und auf den Bildschirm starren. Also wird das WLAn nur 2x am Tag für 10min angeworfen und am Abend dann mal für ne halbe Stunde, wenn es draussen schon dunkel ist und wir nix mehr verpassen.
Ich lerne mit meinen Gedanken allein zu sein. Mich mit ihnen auseinander zu setzen. Sowohl beim Training, als auch sonst- bei mir gab es immer Musik. Musik ist auch was mega Schönes, aber sie dudelte einfach immer so nebenbei, weil sie lauter sein konnte, als das Wirrwarr in meinem Kopf. Jetzt will ich das Wirrwarr hören, denn ich bin dabei aufzuräumen in meiner Rübe.
Und da ist ne ganze Menge zu tun.
Ich bin bereit neu anzufangen, mit was auch immer.
Ich bin bereit anzukommen, ohne anzukommen.
Ich bin bereit, viel, viel über mich zu lernen auf diesem Trip.
Ich bin zum ersten Mal nicht davongelaufen. Aus einer Stadt oder einem Land. Sondern ich habe das Band in die Seite „Schweiz“ gelegt, es zugeklappt und ins Regal geschoben. Dort kann ich es jederzeit wieder raus nehmen und an dieser Stelle „weiterlesen“.
Mein Körper dankt mir die gesteigerte Regeneration, die ich jetzt zwischen meinen Trainingseinheiten habe und mein Geist dankt mit jede Sekunde Yoga und Mediation.
Ich habe keine Ahnung, wo diese Reise hingeht. Weder örtlich, noch mental. Aber ich geniesse jede Sekunde.
Ich bin unglaublich dankbar, dass mir das Leben diese Tür geöffnet hat- und stolz, dass meine Eier gross genug waren, hindurch zu latschen.
Jetzt schauen wir mal, was alles so hinter der Tür für mich parat ist- ich kann es kaum erwarten.