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13:42 Stunden mit 2162 Höhenmetern

Easy hike ;)

Es gibt so ne Wanderung mit vielen Menschen irgendwo vom Kanton Aargau hoch auf den Berg Rigi. Die latschen irgendwann nachts los und sind dann zum Sonnenaufgang oben.
Klingt ja cool.

Aaaaber: Viele Menschen-mögen wir gar nicht.

Bedeutet nämlich Kompromisse beim Tempo, bedeutet Pausen, wenn irgendwer Pipi muss. Bedeutet Rücksicht.
Also kam Simi auf die fantastische Idee, wir könnten das ja auch einfach allein machen. Sie und ich.
Super, ik bin dabei.

Wettervorhersage war großartig, die Fettbemme (dank Simi) geschmiert und die Trinkflaschen aufgefüllt.
Startschuss für uns beide war nachts um 03:00Uh in der Nähe vom Halwillersee (unser Plan war also offensichtlich nicht zum Sonnenaufgang oben zu sein, sondern irgendwann am Nachmittag).

Als wir mit Stirnlampe, kurzen Hosen und Regenjacken loslaufen, beginnt es gerade so ein bisschen zu tröpfeln. Nicht schlimm, wir sind ja schließlich nicht aus Zucker.
Okay…10 Minuten später beginnt das Gewitter, der Platzregen, das ganze Drum und Dran. Und es handelte sich dabei nicht um n kleinen Husch. Nein! Der Starkregen hat wahrhaftig bis 9:00Uhr angehalten. Sechs verdammte Stunden.

Nass bis auf den Schlübber.

Denn auch Klamotten mit Wassersäule bis zum Mond kommen irgendwann an ihre Grenzen. Aber irgendwie wars gar nicht so schlimm, weil kein Wind und auch absolut nicht kalt.
Die Schuhe haben zwar gequietscht und auch unsere Lunchpakete im Rucksack waren trotz Überzug durchgeweicht, aber Spaß hatten wir definitiv trotzdem.
Umso grösser die Freude, als wir am Baldeggersee dann endlich zum ersten Mal die Sonne duchlupsen sehen. Die Sachen trocknen schnell wieder und wir traben so vor uns her. Zu quatschen haben wir beiden mehr als genug und die Kilometer fliegen nur so an uns vorbei.
Nach 8h kommt der erste Anstieg. Wir haben schon 600Höhenmeter in den Beinen, die wir eigentlich gar nicht wirklich gemerkt haben, weil es eher so rolling hills waren.
Der kleine Berg sind nur knapp 350 Höhenmeter hoch, aber mächtig steil. Wir fangen das erst Mal n bissl an zu japsen und zu schimpfen. Der Weg geht zum Teil direkt über die Kuhweide und die Sonne brätscht mittlerweile mit gepflegten 28 Grad voll auf die Zwölf. Oben angekommen sehen wir den Rigi bereits ganz nah vor uns. Machen n gemütliches Picknick unterm Baum und merken beim Aufstehen langsam auch, das wir schon wat jemacht haben.
Es geht bergab nach Küssnacht. Simis Garmin verabschiedet sich. Akku leer. Beide haben wir unsere Uhren am Vorabend zu 100% geladen. Mein Modell verfügt über Solar und ich hab bis jetzt immer behauptet, die 200CHF on top waren völlig sinnlos, weil der Akku kein Deut länger hält- das nehm ich zurück. Auch Stunden später am Ziel oben ist mein Akku also noch nicht im roten Bereich- zumindest nicht der von der Garmin 😉.
Wir schlängeln uns durchs Dorf. Mein Auftrag bis jetzt war es alle 2h zu quengeln, dass wir was essen und trinken und daran hab ich mich artig gehalten. Wir haben bis jetzt also gemeinsam einen kleinen Zopf mit Käse verdrückt, jeder einen Proteinriegel und ne Banana gegessen und ne Tüte Lachgummis gekillt. Ah und n Schoggigipfeli an der Tanke und n Kakao haben wir uns zum Znüni noch reingeschraubt.
Der Fuss vom Rigi ist eigentlich noch recht angenehm. Und dann kommt das entscheidende Schild, was die Laune für einen kurzen Moment killt.

Rigi: 8km-4:20h.

What the hell? Sooooo lange für 8km??? Denken die wir kriechen da rückwärts auf allen Vieren hoch? So langsam kann ja kein Mensch laufen.
Wir wurden eines Besseren belehrt.
Von dort hatten wir dann noch 3:42h.
Und wir sind halbwegs aufrecht und vorwärts gegangen-naja, oder auch fast gekrochen.
Eventuell hätten wir vielleicht auch noch n bissl mehr Zucker für unser ganzes Unterfangen benötigt. Das wurde spätestes deutlich, als Simi irgendwo im Wald der Meinung war einen Seestern am Boden liegen zu sehen und ich währenddessen zur Ablenkung lauthals „Verdammt ich lieb dich“ und „Lemon Tree“ gesungen habe.
Es kam also n Moment wo uns nur die schöne Aussicht erfreuen konnte und wir sonst doch auch mal echt geschimpft haben, wie die kleinen Rohrspatzen, wessen dumme Idee das eigentlich war.

Das Ende vom Lied.

Wir kommen bei tiefschwarzem Himmel und mit dem nächsten Gewitter im Nacken oben auf dem Gipfel an.
Die Freude ist riesengroß. Wir fallen und um den Hals und plötzlich reicht die Kraft doch auch noch aus, um n kleines Freudentänzchen aufs Parkett zu legen.
Und das nach 54 Kilometern wandern. In 13:42h mit 25162 Höhenmetern.
Die Aussicht ist atemberaubend.
Was uns auch den Atem raubt ist der Sprint auf den Zug, zurück nach unten, den wir auf Grund der Wettersituation unter keinen Umständen verpassen dürfen.
Kaum sitzen wir drin, beginnt es zu hageln und zu stürmen. Nach 40 Minuten Fahrt zurück ins Tal scheint dann aber die Sonne wieder- natürlich, danke dafür.

Wir stinken wie die Iltisse.

Unsere Füße sind richtig widerlich. Die vermeidlich trocknen Wechselsocken sind ja eben leider im Rucksack durch den Starkregen auch nicht trocken geblieben. Andy kommt uns abholen und hat die gesamte Rückfahrt über Tränen in den Augen- und das nicht vor Freude, Frau und Schwester wieder sicher bei sich zu haben, sondern weil wir zwei so eklige Grüsels sind 😊

Es hat richtig, richtig dolle Spaß gemacht. Es war ein kleines Mini Adventure, was uns körperlich mal wieder gezeigt hat, was für verdammte Tiere wir sind 😉- was uns mental gezeigt hat, das man easy so ne Wanderung machen kann, die mal n bissl länger is, wenn man es wirklich will.
Was uns gezeigt hat, das auf den Wetterfrosch einfach kein Verlass ist und auch die teuerste Regenjacke mal an ihre Grenzen kommt.
Und was Simi und mir gezeigt hat, dass wir noch viele weitere Touren zusammen machen sollten, weil längst noch nicht alles erzählt ist.

Vielleicht bin ich komisch, dass mir sowas eben einfach mehr gibt, als ein teurer Restaurantbesuch oder Shoppen gehen.

Vielleicht...und zu der Erkenntnisse gelange ich eben immer mehr...vielleicht ist auch JEDER VON UNS GUT SO, WIE ER IST!