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Trainerlizenz

Ich kenne genug Menschen, die haben so viele Diplome und Scheine und Kurse, dass sie damit n riesen Lagerfeuer machen könnten.

Die Geschichte mit der Weltmeisterschaft in Amerika hat mich ziemlich in die Fresse getroffen. Ich hatte bissl dran zu knabbern. Das ist ja kein Geheimnis.
Kurz schoss mir durch den Kopf, den ganzen Mist zu verkaufen und endlich all das zu machen, für das ich auf Grund des jahrelangen, intensiven Triathlontrainings keine Zeit hatte.

Zu so ner Crossfit Mausi mit Sixpack werden, die nur Brokkoli und Reis frisst. Yogakurse besuchen. In Cafes sitzen und Leute beobachten. Stundenlang in den Bergen wandern. Ein Buch nach dem anderen verschlingen…all so Zeugs halt.

Aber ich bin noch nicht so weit. Ich liebe diesen verdammten Sport einfach noch viel zu sehr.

N Monat hab ich mir die Nussschalen geschaukelt und nicht viel gemacht, ausser Yoga. Und ich hab mir das Türchen offengelassen, wie ich mich fühlen werde und was mir die kleine Claudi Stimme von innen sagt, wie ich weiter vorgehen möchte.
Hat nicht wirklich lange gedauert und ich musste mich eigentlich schon wieder fast dazu zwingen, die Hummeln im Hintern in Schach zu halten um nicht in diesem selbstverordneten offseason Monat schon wieder durchzustarten.

Aber ich war artig und natürlich hat es mir mein Körper und bestimmt auch mein Geist gedankt.
Die Ziele für 2023 sind gesteckt. Die Rennen angemeldet und bezahlt.

Das Coaching übernimmt weiterhin Andy, wofür ich unendlich dankbar bin.

Kann es das überhaupt? Hat der das gelernt? Die Frage kam n paar Mal, welche Kompetenzen er denn vorzuweisen hat, dass er mir Trainingspläne schreibt.

Also eins vorweg. Ich kenne genug Menschen, die haben soviele Diplome und Scheine und Kurse, dass sie damit n riesen Lagerfeuer machen könnten. Und trotzdem sind es Vollidioten. Das beziehe ich jetzt nicht nur auf Trainer, sondern auf Menschen allgemein. Eine abgeschlossene Ausbildung sagt lediglich, dass du theoretisch in der Lage bist, das Wissen anzuwenden. Aber wieviele Affanassis gibt es, die in der Praxis einfach n Stück Brot sind? Ich kenn da genug.

Meine Erwartungen an einen Trainer sind extrem hoch.

Und ne Trainerlizenz steht im übrigen absolut nicht auf meiner Erwartungsliste. Ich brauche jemanden, der für die Planung mehr nutzt, als nur meine Zahlen, Wattwerte, Puls und meine Kilometer. Ich brauche jemanden, bei dem ich weiss, ich interessiere ihn nicht nur als Athlet, sondern es sieht das ganze Paket. Den Menschen. Die Frau, die 100% arbeiten geht, zwei Hunde und ne Beziehung zu einem Mann hat.

Jemanden, der meine Einheiten genau unter die Lupe nimmt und sofort darauf reagiert. Nicht nur jemanden, der schaut, ob im Trainingspeaks alles auf grün ist und einmal im Monat mit mir telefoniert. Jemanden, der mich so gut kennt, dass er weiss, es ist wichtig, mir mit ins TP zu schreiben, wieviel Gels oder Trinkflaschen ich bei der Einheit in mich reinkippen soll. Jemanden, der Swiss Claudi trainiert und nicht Athlet Nummer 23.

Die richtige Mischung aus Köpfchen streicheln und in den Arsch treten, das macht es aus.

Er kennt meine Angsteinheiten und weiss, wie wichtig es ist, mir da im Vorfeld Mut zu machen. Und er weiss auch, wovor ich mich gern drücke und haut mir die Einheiten trotzdem immer wieder rein. Weil er in dem Augenblick mein Trainer ist und nicht der Mann, der mich liebt.

Dein Trainingsplan, der wochenlang im Vorfeld geschrieben wird, ergibt in meinen Augen absolut keinen Sinn. Anderen Athleten wollen genau das, um besser planen zu können.

Wir sind doch alle verschieden. Ich weiss nicht, wie oft ich diesen Satz sage/schreibe. Man kann sich von anderen inspirieren lassen, oder andere belächeln, weil man ein Klugscheisser ist und denkt, alles besser zu wissen. Aber schlussendlich ist es irrelevant, wie der oder der trainieren. Man muss doch den Weg finden, der zu einem selbst am besten passt und das ist auch Aufgabe eines Trainers. Herauszufinden, wie der Athlet funktioniert. Und damit meine ich auch, wie er auf verschiedene Belastungen reagiert. Und wo seine Stärken und Schwächen sind und beides zu nutzen.

Ein Trainer bestimmt dein Leben.

Er bestimmt jeden Tag ein Stück weit. Man muss ihm einhundert Prozent vertrauen können. Er bestimmt nämlich im Zweifelsfall auch über unsere Gesundheit, wenn er uns ins Übertraining plant, wir verletzt sind oder nach Krankheiten zu früh wieder einsteigen.
(Falls du übrigens Interesse daran hast, dein Leben von Andy und mir bestimmen zu lassen, weil du gerade auf der Suche nach nem neuen Coach bist, dann schreib mir doch gern ne Mail)

Trainieren nach Zyklus- ist ja auch so n Trend seit n paar Jahren. Der weibliche Körper, der Eisprung, die Wassereinlagerungen- laberrababer. Natürlich gibt es Studien, die nachweisen, zu welcher Phase des Zyklus eine Frau am leistungsfähigsten ist. Wann sie harte Intervalle wegknallen sollte und wann eher das Kopfkissen. Es gibt auch Studien, die sagen, Menschen sind am Morgen um 10 am aufnahmefähigsten. Und ich wette, es gibt auch irgendwen, der getestet hat, ob man nach dem Vollmond eher radfahren oder schwimmen sollte.

Also wenn ich frei hab, dann steh ich gerne früh auf. Und um 10 ist dann die Zeit, wo ich wieder ready für n kleinen zehn Minuten Nap bin. Soviel zu dieser Studie. Es gibt Zyklen, da würd ich am liebsten weinend im Bett liegen, wenn ich meine Tage habe, weil mich die Krämpfe fast zerreissen. Und es gibt Zyklen da zerreiss ich die ein oder andere Bestzeit in der Luft, weil ich mich so super truper gut fühle.
Ich bin doch keine Maschine und ich ticke nicht jeden Tag gleich.

Ich hab schon immer verhältnismässig viele Umfänge trainiert.

Wurde schon damals belächelt, als ich aus Trainingszwecken 67km um den Zürisee gerannt bin- einfach so, als Longrun in Vorbereitung auf meinen ersten Marathon. Es wurde mit dem Kopf geschüttelt, dass ich 30 Kilometer im Monat geschwommen bin.
Jetzt kommen die Norweger um die Ecke, ballern alle Rekorde weg und plötzlich macht das Sinn? Plötzlich leuchtet es jedem ein, dass man grosse Umfänge trainieren muss, wenn man grosse Ziele hat? Häääää?
Und wenn ich drei Laufeinheiten am Tag mache, dann werden die Köpfchen geschüttelt. Was macht das für n Sinn? Morgens nüchtern, mittags Intervalle, abends easy.
Der Sinn ist ganz einfach. ES PASST FÜR MICH. Und es bringt MICH voran. Das bedeutet noch lange nicht, dass es dich voranbringen würde. Oder dass es dir irgendwas geben würde. Denn, richtiiiig…wir sind doch eben alle verschieden.

Die Bestzeiten werden aktuell alle mit Nikes an den Füssen gerannt. Ik mag den Treter nicht. Hab ich probiert- drückt mir am Knöchel, fühlt sich für mich komisch am Fuss an. Und? Deswegen sag ich jetzt nicht, der Schuh ist scheisse, oder wer den Schuh trägt ist dumm. Deswegen sag ich einfach nur, für mich is dat nix.

Was ist die Moral von der Geschicht? Ach ne, take home message sagt man ja heute.

Du bist ein Individuum. Deine Pläne, Ziele, deine Vorgehensweise, dein Material, alles das bist DU. Es muss niemandem gefallen, aber du musst dich damit wohl fühlen.
Du kannst n Canyon kaufen, weil ALLE es haben, obwohl du auf nem Cube vielleicht viel besser sitzen würdest. Wirst du aber nie erfahren, weil du schliesslich mit dem Strom schwimmen willst, damit du nirgendswo aneckst. Denn anecken kann hässlich sein, anecken kann wehtun und fürs anecken kriegt man auf die Schnauze.

Ich halte weiterhin gern meine Backe hin….und kassiere…aber bleibe mir treu…und ecke an.

Peace and out.