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Spielerfrau

Ist es denn so schwierig, das diese Misttracker einfach mal zuverlässig funktionieren und ich nicht bei jedem Rennen kurz nach dem Start schon den ersten Angstpups in der Hose haben muss, ob er sich auf der Rampe zum Wasser auf die Schnauze gepackt hat und nicht starten konnte?

  • Race hard, baby

Andys erstes Race der Saison stand an. Der 70.3 auf Lanzarote. Also Vorbereitung auf seine Langdistanz im Mai da, hat er sich überlegt diesen Wettkampf mitzunehmen.

Samstag ist Raceday. Wir fliegen am Donnerstagmittag los. Edelweiss bringt uns in die Sonne. Ich war noch nie auf dieser Insel. Weiss eigentlich nur, dass es da immer windet wie Hubatz und die Schönen und Reichen aus der Triwelt sich da im Club La Santa tummeln.

Andy hat stundenlang seine Princess (sein Bike) verpackt und gepolstert.

Da unterscheiden wir uns halt mal wieder. Ik schraub die Pedale ab, stopf den Bro in den Koffer, schmeiss den Neo und n Handtuch oben drauf und ab geht’s zum Flughafen. Er ist eben der durchorganisierte Perfektionist in dieser Beziehung.
Deswegen sind wir auch drei Stunden zu früh am Flughafen. Drei Stunden….ich hätte noch so schön schlafen können- und wohlgemerkt hat er sein Rad zur Sicherheit schon am Vorabend aufgegeben.

Wir landen pünktlich unter blauem Himmel. Das Rad kommt, die Koffer sind da. Wir gehen unseren Mietwagen holen und düsen gut gelaunt die halbe Stunde zu unserem fünf Sterne Hotel direkt am Start. Gönjamin.

Andy packt natürlich als erstes die geliebte Princess aus.

Und ich hör nur «oh, oh». Und da weiss ich…mein Tag ist gelaufen.

Schon am Flughafen haben wir gesehen, der Koffer vom Rad ist mächtig mitgenommen. Wir reisen zum ersten Mal mit ihm, er ist nagelneu. Schon nach der Landung hat er Kratzer und Dellen und das nicht zu knapp.

Die Schaltung ist gebrochen.

Verdammte Hacke…so typisch…sowas passiert dem, der alles so perfekt verpackt. Und die, die alles stopft kam bis jetzt immer mit nem heilen Bike am Ziel an.

All die Schlaumeier, die auf Insta geschrieben haben- ja, das muss man immer abbauen, mach ich auch, seitdem mir das mal passiert ist. Klugscheisser mag keiner.

Also sicherlich hätte er das abbauen können, er hat ja auch gefühlt ne komplette Werkstatt dabei gehabt, für alles Eventualitäten.

Also ik bin n Mädchen, ik werde auch weiterhin nix an meinem Bro abschrauben, weil ich gar nicht in der Lage bin, dat wieder ranzuschrauben. Mein einziges Werkzeug ist n Imbus, mit dem ich die Wattpedale montieren kann.
Dann wäre es wohl beim nächsten Flug auch schlauer, die Aerobars abzuschrauben, die könnten ja auch brechen. Und die Bremsen- sicher ist sicher. Na wo kommen wir denn da hin. Ist doch kein Stabilbaukasten so n Bike.

Wir wissen alle, wie mit unserem Gepäck umgegangen wird auf den Flughäfen. Wir sind uns bewusst, dass das aus Zeitmangel da durch die Gegend gepfeffert wird beim ein- und ausladen. Dat machen die Jungs nicht, weil sie Arschlöcher sind, sondern eben, weil sie keine Zeit haben. Weil wir ja nicht warten wollen, weil der nächste Flieger wieder abheben muss. Und weil der Flug billig sein soll und die armen Knöpfe die sich da die Bandscheiben zerdreschen und wahrscheinlich auch nur n Appel und n Ei verdienen.

Kaputt ist kaputt. Lösung ganz einfach- nicht fliegen. Aber ich bin still, diesmal bin ich ja nur Spielerfrau und nur zum Support mit.
Und genau den braucht Andy jetzt. Die Stimmung ist beim Gefrierpunkt. Gedanklich packt er das Bike schon wieder ein und fliegt mit mir am Sonntag zurück heim. Denn eigentlich wäre die nächste Woche noch n Trainingslager mit seinen Jungs auf der Insel geplant. Es geht also nicht nur um den 70.3, sondern auch nur um die Zeit danach.

Ich versuche ihn zu beruhigen und schlage vor, wir gehen zur Registration und fragen da, ob der Bike Doc schon vor Ort ist und eventuell mit ner neuen Schaltung helfen kann. Er ist wahrhaftig schon da und schickt uns ins Nachbardorf zu einem Triathlonladen.

Die Jungs dort sind der Hammer. Die Schaltung, so wie Andy sie hat (glaub Shimano?) haben sie nicht auf Lager. Kostet irgendwas um die 800 Tacken und ist lieferbar in 53 Tagen. Wird knapp. Der Chef telefoniert noch mit zwei anderen Läden auf der Insel- niemand kann helfen. Also bietet er uns an, von einem gebrauchten Rad eine günstigere Ultegra Schaltung abzubauen und diese zu montieren.
Wir fahren erstmal zurück ins Hotel. Andy muss drüber nachdenken. Ist es ein Zeichen? Soll es einfach nicht sein, dass er an den Start geht? Oder ist es nur n Stein, der uns in den Weg geschmissen wird…?

Am nächsten Morgen bringen wir die Princess in den Laden und die Ultegra wird montiert.

Andy kann am Nachmittag aufs Rad und eine Proberunde fahren. Den kompletten Streckencheck haben wir bereits mit dem Auto gemacht- Wahnsinn, diese Vulkanlandschaft- extrem eindrücklich.
Während Andy sich die Wut rausstrampelt gehe ich eine Runde rennen und check die Wechselzone aus. Geile Location.
Am Abend kann Andy einchecken und fühl sich parat fürs Race. Die Motivation hat die Enttäuschung abgelöst.

Racemorning.

Ich geniesse es, liegen bleiben zu können, während Andy seine Morgenroutine macht. Selbstverständlich schliessen wir die Wechselzone als erste auf, weil Andy auch da auf Nummer sicher geht. Ich bin ja eher so die, die ankommt, kurz bevor die Tore wieder verriegelt werden. Wat soll ich auch da noch ewigs rumeiern.
Ich trage artig die Luftpumpe, die Trinkflasche und tue, was von mir erwartet wird. Andy hat gute Laune- fühlt sich ready. Den Weg zum Schwimmstart muss er alleine machen. Nur die Athleten dürfen bis vor, Zuschauer müssen ca. 300m weit weg warten.

Ein letzter Kuss und die mahnenden Worte «Fahr ja vorsichtig, ich brauch dich noch».

Ich flitze zurück zum Hotel, werf die Pumpe und das restliche Gerödel ab und mach mich auf den Weg auf die Radstrecke. Es gibt da n Kreisel, wo er nach 20min auf dem Rad nochmal durch kommt, also der einzige Punkt, wo ich ihn zweimal sehen kann, ansonsten gibt es für mich keine Möglichkeit ihn beim Bikepart anzuschreien.
Auf dem Weg dort hin explodiere ich das erste Mal. Dieser verfic+++ Ironman Tracker. Ich wusste, Start war 7:10Uhr. Zehn Minuten später steht bei ihm immer noch «warte auf Start». Auch bei Anne Haug steht es noch. Die ja kurz nach sieben ins Wasser ist.
Man Ironman….wir haben 2023. Man kann sein Auto orten, seine Kopfhörer, es gibt Schlüsselfinder und ich kann dank Garmin sehen, wie oft Andys Herz schlägt, während er n paar tausend Kilometer weit weg rennt.
Ist es denn so schwierig, das diese Misttracker einfach mal zuverlässig funktionieren und ich nicht bei jedem Rennen kurz nach dem Start schon den ersten Angstpups in der Hose haben muss, ob er sich auf der Rampe zum Wasser auf die Schnauze gepackt hat und nicht starten konnte?

Irgendwann funktioniert er und zeigt mir an, er ist seit 26 Minuten im Wasser. Also dauert es nicht mehr lang. Ich stehe ca. bei Kilometer 4- ja, soweit bin ich gelatscht….

Endlich kommt er. Er sieht gut aus, er strahlt. Er ballert um die Kurve und verschwindet irgendwo zwischen den Vulkansteinen. Er sagte mir, er denkt, für das Stück hat er so zwischen 20 und 25 min, bis er wieder an dem Kreisel wäre. Ich frier mir in der Zwischenzeit mit Kapuzenjacke im Wind den Hintern ab. Meine Güte, dieser Wind.

Also es ist mir unbegreiflich, wie man auf dieser Insel freiwillig einen Wettkampf machen kann.

Vielen sehen auf dem Rad aus, wie Fähnchen im Wind. Es stürmt wirklich unglaublich doll.
Er kommt pünktlich zurück. Ich brülle, halte die Kamera und freu mich wie n Schnitzel.
Jetzt kann ich frühstücken gehen. Aber entspannt bin ich nicht. Ich weiss, wie er ist. Am Abend soll sich meine Vermutung bestätigen- Topspeed von 90 Stundenkilometern. Triathlon klingt ja eigentlich nicht wirklich nach Extremsport, aber wenn der Mensch, den man liebt da draussen ist, dann wünscht man sich doch, er würde einfach Golf spielen. Es kann schon viel passieren. Ein Lawasteinchen auf der Strasse, ein dummer Athlet, der plötzlich ausschert, eine Windböe, die zu krass ist. Der Tracker funktioniert jetzt gut, aber es hat nur zwei Zeitmatten auf der Loop. Kein Kommentar.

Er fährt ein bisschen schneller als Anne Haug, also weiss ich, wenn sie durch ist, dauert es nicht mehr lange, bis auch er kommt.

Ich suche mir ein Plätzchen kurz hinter der Transition auf der Laufstrecke. Er finisht das Rad mit dem viert schnellsten Bikesplit in seiner AK und kommt auf Platz 7 aus T2. Ich schreie ihm die Zeiten zu und feuer ihn anständig an.
Die Laufstrecke ist ebenfalls nur one loop, so dass ich jetzt nur am Tracker kleben und im Ziel auf ihn warten kann.
Mittlerweile ist die Sonne rausgekommen…der Wind ist gleichgeblieben, die Stimnung an der Finishline grossartig. Ganz aufgeregt halte ich meine GoPro und bin in Gedanken die 21km und knapp 200 Höhenmeter an seiner Seite.
Er kommt. Nervös drücke ich auf die Kamera, schreie ihn an und verdrücke kurz n Tränchen, als ich ihn durchs Ziel laufen sehe.
Wie sich hinterher rausstellt hab ich übrigens den falschen Knopf auf der Cam gedrückt und den entscheidenden Moment natürlich nicht gefilmt, ich Idiot.

Ich hab ihn wieder. In einem Stück. He made it. Mit ner super Zeit und Platz 9 in seiner AK.

Ich bin stolz.
Das schöne an ner Mitteldistanz ist ja, man hat noch was vom restlichen Tag- Zitat Andy.

Noch schnell n Selfie mit Lucy Charles Barclay und dann gibt’s Pizza. Ich hab auch meine 20 000 Schritte auf der Uhr und fühl mich genauso ko wie Andy.

Meine Passion für Triathlon ist genau so entstanden. Als Zuschauer am Streckenrand (damals als Helferin). Wenn du Athlet bist, dann tut es so gut, angefeuert zu werden. Menschen am Rand, die Stimmung machen. Ich bin immer wieder enttäuscht, über Leute, die nur «ihren» Athleten anfeuern und sonst weder klatschen, noch schreien. Es tut doch wirklich nicht weh. Ich geniesse es sehr, nicht nur selbst teilzunehmen, sondern eben auch immer wieder als Support dabei sein zu dürfen.
Und am Tag danach hab ich immer Halsschmerzen und die Hände tun weh vom Klatschen und zwar, weil ich durchgehend am Gacken und motivieren bin, nicht nur für "meinen" Athleten.