IronMan 70.3 Jesolo
Persönliche Bestzeit um 10 Min geknackt
- Race hard, baby
Im Mai 2021 wollte ich dort eigentlich an der Startlinie stehen. Wir wissen alle, was dann passierte und warum niemand racen durfte.
Jetzt war es so weit.
Freitag am Morgen in die Karre geschwungen und sieben Stunden da runtergebügelt. Andy auf dem Beifahrersitz am Arbeiten. Ich mich am Aufregen über den Fahrstil der Italiener und die Drecksmautstellen, die gefühlt alle 100m kommen.
Hotel 1.6km vom Schwimmstart entfernt. Völlig in Ordnung die Hütte, mit Küche im Zimmer (was auch dringend notwendig war, da Frühstück am Racemorgen ab 06:30Uhr zur Verfügung stand- wie witzig, wenn der Start kurz nach acht ist. Zeig mir einen Athleten, der da um halb sieben noch genüsslich in den labbrigen Toast beißt).
Am Ankunftstag ist nicht mehr viel gelaufen, naja, Andy schon. Der hat seine Intervalle gemacht und ich bin auf dem Radl vom Hotel nebenher geeiert. Tapering lässt grüßen. So konnte ich schon ein bisschen die Laufstrecke checken und mir einen allgemeinen Überblick verschaffen. Startunterlagen haben wir natürlich davor auch noch abgeholt. Dann gings romantisch an den Strand. Einmal kurz ins Meer gehüpft und uns von Mücken den Allerwertesten zerstechen lassen.
Ab Oktober sind da an der Küste gefühlt die Bürgersteige einfach hochgeklappt. Wir haben am Abend ewigs nach nem Restaurant gesucht, wo wir noch n paar Carbs in mich reinpressen konnten. Ansonsten wurde ich von Andy den ganzen Tag schon mit diesem flüssigen Carboloader abgefüllt, den ich ja so widerlich finde.
Ich bin ja jemand, der wirklich sehr, sehr gern isst, aber so kurz vorm Race steht mir die Kotze, ähm ich meine das Erbrochene echt immer bis zum Hals. Diesmal war es besonders schlimm, weil die Aufregung auch besonders hoch war.
Am Samstag sind wir relativ zeitig hoch, um mit dem Auto die Radstrecke abzufahren und noch ein paar Drohnenaufnahmen vom Koppeltraining zu machen.
Das Wort flach hat ein Race noch nie so gut beschrieben, wie dieses in Jesolo. Es war wirklich dätschflach. Die ersten Kilometer waren einfach immer wieder n paar Turns drin, so dass klar war, da wird der Schnitt nicht sonderlich hochkommen, wenn man immer wieder abbremsen muss, um die Kurven zu nehmen. Die Straßen auf der Strecke für italienische Verhältnisse allerdings sehr gut.
Bissl Bauchweh haben mir verschiedene Brücken gemacht. Einmal gab es so Dinger, wie n Gerüst, die dafür dienten, dass Straßen nicht gesperrt werden mussten. Also die gingen dann hoch, über die Straße und wieder runter. So weit so gut. Der Anstieg zwar knackig, aber kurz und völlig easy machbar. Meine Sorge galt eher den anderen Athleten. Die Brücke war nicht sehr breit, wenn sich da also am nächsten Tag einer vor mir auf die Gusche packt beim Hochstrampeln, dann gute Nacht Marie, dann lieg ich gleich mit auf der Nase. Ums vorwegzunehmen, hat alles super geklappt.
Dann gabs da noch so eine Brücke über n Flüsschen. Meine Jüte, die hat glaub noch der Kaiser gebaut, so alt und klapprig war das Ding. Als wir mit dem Auto rübergefahren sind hats uns gefühlt schon einmal die Stoßdämpfer rausgedroschen. Und zur Krönung kam am Ende der Brücke dann noch so n herziger, kleiner, zahnloser Italiener, der n Euro von uns wollte, weil wir über seine Brücke gefahren sind. Junge, hoffentlich investierst du den Euro auch in die Bridge, verdammt. Aber auch da…Kompliment an Ironman. Es gab am Raceday Warnschilder vor der Brücke und sie war so gut präpariert worden, dass man zwar langsam, aber bedenkenlos rüberfahren konnte. Gott war ich froh.
Das Koppeltraining lief dann schlussendlich auch tiptop. Am Abend ist das Trainingsbunny dann auch noch angekommen und wir sind alle drei zusammen noch ins Meer gesprungen, um n Gefühl fürs Wasser zu bekommen.
Check-in und um acht lag ich völlig erschossen im Nest.
Raceday
Der Wecker geht gefühlt mitten in der Nacht. Der Toast mit Honig wird immer mehr im Mund. Das Spiegelbild spricht Bände. Das Klo und ich werden eins.
Die Wetterapp hat in der vergangenen Woche für den Raceday 87% Regen und Wind bis 30km/h vorausgesagt. Sie hat gelogen. Ich hatte absolut perfekte Bedingungen.
Eh ich mich versehe habe ich die obligatorische Banane im Rachen und zieh auch schon den Neo an und geh in meinen Startblock.
Warum habe ich diesmal die Hosen so doll voll?
Es hatte mehrere Gründe. Ich bin sonst immer nach Lust und Laune geraced. Ich habe mich an keine Vorgaben gehalten, wer sollte mir die auch machen? Ich habe nach Gefühl gestrampelt und bin dann um mein Leben gerannt, sofern man die Pace noch so bezeichnen konnte. Diesmal sollte es anders werden. Andy schreibt mir seit zwei Monaten meine Trainingspläne und hat mir genaue Vorgaben für dieses Rennen gegeben. Wieviel Watt darf ich drücken, welchen Puls darf ich auf dem Rad nicht überschreiten, welche Pace soll ich rennen. Dazu kommt, dass meine Lebensumstände in den letzten Wochen nicht gerade geordnet waren. Das Chaos mit zehn Hunden zu Hause klingt sicherlich nach Außen furchtbar lustig, verlangt mir aber auch enorm viel ab.
Aber ich kann diesen Satz zu mir sagen im Startblock, dieses, für mich so wichtigen Satz:
Du hast im Vorfeld alles gegeben, du hast hart trainiert und mehr war nicht drin.
Du kannst das! Und du wirst hier heute abliefern.
Piep, piep, piep, piep, pieeeeeeppp…..los geht’s. Mit fünf anderen Athleten renne ich grazil wie ein Nilpferd ins Meer. Mein Ziel ist klar. Mich mal nicht verschwimmen. Mich wirklich voll auf die Bojen konzentrieren. Nicht nach anderen Schwimmern schauen, sondern NUR die Bojen im Auge behalten. Der Plan geht auf. Ich schwimme die Strecke 1A ab und habe mal nicht über 1900m auf der Uhr, als ich die letzten Schritte aus dem Wasser mache. Jetzt habe ich mich allerdings so auf die Orientierung konzentriert, dass ich vergessen hab, dass es noch nützlich wäre, ab uns zu auch mal dran zu denken, effizient zu schwimmen. Naja, man kann nicht alles haben. Die Zeit verdient also nicht unbedingt n Beifall, aber trotzdem komm ich happy wie Sau aus dem Wasser. Denn jetzt kommt mein Part 😊.
Wechsel klappt einwandfrei.
Wieder renne ich mit meinen Radschuhen durch die Wechselzone und werde dumm angeguckt, als wäre ich der hinterletzte Anfänger. Wieder grinse ich in mich hinein, weil ich weiss, dass ich um einiges schneller wechsel als manche von den geilen Hengsten, die die Schuhe so cool am Rad haben. Aber nächstes Jahr will ich das auch lernen und zu den Coolen gehören…das sag ich jetzt seit sechs Jahren.
Die ersten Kilometer wird mehr gelutscht als auf der Reeperbahn in Hamburg. Meine Güte. Jungs, wenn ihr ne Sonntagsfahrt machen wollt, dann macht das doch, aber dann meldet euch doch nicht für n 70.3 an. Es macht doch keinen Spaß, hintereinander umherzufahren und im Windschatten zu hocken. Ich werde es nie begreifen. Hab mir n paar Mal anständig die Pommesbeinchen verblasen um mit 300 Watt an so ner Kolonne vorbeizukommen. Aber es hat nicht lange gedauert und das Feld hat sich gut verteilt.
Die ersten Kilometer habe ich mehr als sonst getrunken, weil die Schnüt noch voller Salz war vom Meer. Irgendwann habe ich so n Gefühl. Greife nach hinten und wahrhaftig, meine zweite Trinkflasche ist weg. Wahrscheinlich ist sie bei der Bodenwelle flöten gegangen, die ich zu spät gesehen habe und bei der auch meine Lust auf Geschlechtsverkehr für die nächsten drei Tage verloren gegangen ist. Kurze Panik. In Italien gibt’s an den Verpflegungsposten nämlich so schöne kleine Plastikflaschen, wie die ausm Supermarkt. Nützt mega viel, da sie nicht in meinen Flaschenhalter passen. Bedeutet, ich habe die paar Meter in der Aidstation Zeit mich volllaufen zu lassen und muss die Buddel dann in der Zone auch wieder abwerfen, da ich ansonsten wegen Littering disqualifiziert werden könnte. Außerdem sind mit meiner Flasche auch die darin aufgelösten Kohlenhydrate verloren gegangen, was mir später noch Probleme bereiten wird, da die Nutrition beim Race natürlich exakt durchgeplant ist.
Die 90 Kilometer verfliegen wie immer rubbeldiekatz. Ich habe meine Wattvorgaben um zwei Watt überschritten, bin jedoch vom Puls her fünf Schläge unter der Grenze, die ich nicht übertreten sollte. Zufrieden und optimistisch steige ich vom Rad und wechsel husch husch in die Laufschuhe.
Zum ersten Mal ziehe ich Socken an, zum ersten Mal race ich in Schuhen mit Carbonsohle.
Andy brüllt mir auf den ersten Metern zu, ich sei Platz drei. Witzig, du Scherzkeks denke ich und versuche mich drauf zu konzentrieren, meine Pace zu finden. Die Storchenbeine fühlen sich gut. Die Lunge auch. Der Kopf hat Bock und ist ebenfalls voller Optimismus.
Die erste von drei Runden neigt sich dem Ende. Es ist warm, aber nicht heiß. Auf dem Part am Strand lang habe ich Rückenwind, was mich insofern nervt, dass ich auf dem Rad ein Haargummi verloren habe und somit mein voluminöses Haar mir in die Gusche weht und mir gar mörderisch auf die Nussschalen geht. Mister Ironman steht am Abzweig zu Runde zwei und zeigt ebenfalls drei Finger hoch. Ich glaub, Andy hat das ernst gemeint. Verdammt.
Ich will nicht vorne mit dabei sein.
Ich will nicht in die Situation kommen, dass es um einen Slot für die WM nächstes Jahr geht. Ja ich weiss, klingt komisch. Denn die meisten racen ja gerade deswegen, weil das ihr Ziel ist. Aber das war ja nie meins. Und ich gehe in drei Wochen zur Weltmeisterschaft nach Utah, St. George. Und auch das war so nie geplant. Und da habe ich gesagt „Once in a Lifetime“ mach ich das jetzt und nicht „Next year again.“
Aber ich bin relativ entspannt. Denn ich weiss, selbst wenn ich meine geplante Pace halten kann, die verdammten Hausfrauen können alle rennen. Die holen mich beim Laufen eh wieder ein. Während ich am Limit kämpfe, werden die an mir vorbei jöggele, weil sie das eben einfach besser können als ich.
Bei Kilometer zehn versuche ich mir noch ein Gel hinter zuschrauben. Es fällt schwer. Denn es sind schließlich auf dem Rad schon einige davon in meinem Ranzen gelandet. Aber ich habe nicht mehr auf dem Schirm, dass mir die Carbs von der verlorenen Buddel ja im Kreislauf fehlen.
Deswegen wird der Run ab Kilometer 15 echt ein harter Kampf.
Hinterher bei der Auswertung der Zahlen wird klar, es lag nicht an der Ausdauer. Der Puls war längst nicht im Maximalbereich. Ich war einfach leer. Ich hatte keine Reserven mehr, auf die der Körper zurückgreifen konnte…war nix mehr zu naschen da. Nur noch n verdammter Dickkopf, der mich Richtung Ziel geprügelt hat. Und der weltbeste Freund, der immer wieder auftaucht, mich motiviert, mir sagt, wo und wann ich zum Ziel abbiegen muss, weil ich Schlawiner natürlich wieder das Racebriefing geschwänzt habe und mich drauf verlassen hab, dass das schon selbsterklärend sein wird.
Mein Finishlinemoment ist wunderbar.
Ich bin erleichtert. Ich bin stolz. Ich bin an meine Grenzen gekommen. Ich habe alles gegeben. Ich habe zum ersten Mal den Mann, den ich liebe hinterm roten Teppich, der mich glücklich in die Arme nimmt und diesen besonderen Moment mit mir genießt.
Meine persönliche Bestzeit auf der Mitteldistanz habe ich um 10 Minuten unterboten.
Ich bin mehr als zufrieden. Ich beende das Race mit einem fünften Platz in meiner Altersklasse (auf die rennenden Hausmuddis ist eben Verlass). Ich komme nicht in die Bredouille, dass ich über einen Slot nachdenken muss, denn es gibt nur einen einzigen in meiner AK. Schwein gehabt.
Wir fahren sieben Stunden nach Hause und ich nehme außer einem komischen Bauch viele, viele schöne Erinnerungen an Jesolo mit. Ich weiss, an welchen Schrauben ich drehen kann, wenn ich mich weiter verbessern will. Und ich weiss, dass ich diesen Sport immer noch verdammt liebe. Auch wenn ich das vor jedem Rennen wieder anzweifle, wenn ich nicht essen und nicht denken kann, vor Aufregung.
Natürlich danke ich wie immer meinen Partnern/ Sponsoren, dass sie an meiner Seite sind und mich unterstützen.
Aber ganz besonders danke ich dir, Andy.
Das du mir so verdammt harte Pläne schreibst. Das du an mich glaubst. Das du an meiner Seite bist. Das du meine Tränen getrocknet hast, als ich völlig am Ende war, noch wenige Tage vorm Race. Das du mich und meine prärace Laune so super weggesteckt hast.
Und für alles andere, aber ich muss hier auch zum Ende kommen und wir wissen schließlich beide, dass ich all den Terror auch wert bin- eben, weil ich einfach der absolute Jackpot bin :-P
Ciao, mi amor…