Angebunden wie ein Pudel, damit man sich im Zweifelsfall nicht die Kauleiste rausschlägt
Ihr wisst, Intervalle sind meine Lakritzeinheit.
Ne, Leistungsdiagnostik ist quasi der Zwang, die ganze Tüte mit einmal essen zu müssen.
- Sport ist immer die Antwort
Das erste Jahr im Bereich Triathlon hab’ ich einfach frei Schnauze trainiert. Pläne aus dem Triathlonmagazin gaben mir ‘nen ungefähren Rahmen. Keine Ahnung gehabt, was GA1 eigentlich ist und wofür es gut sein soll, oder wie es sich anfühlt.
Im zweiten Jahr wurde mir klar, ohne Coach kann ich 20 Stunden die Woche trainieren, werde aber nicht grossartig vorankommen, ausser vielleicht in Richtung Ermüdungsbruch.
Also Geld in die Hand genommen und in jemanden investiert, der mir schreibt, was ich wie machen soll. Dieser erwartete eine Leistungsdiagnostik von mir, denn er wusste offensichtlich, wofür Grundlagenausdauer 1 und 2 und all dat Zeug gut sind.
Also hab’ ich das gemacht. Und im nächsten Jahr wieder und nun kurz vor der Abreise erneut.
Rückblickend muss ich sagen, ich hätte es vorm ersten Training überhaupt gleich machen sollen.
Die Werte, die Zahlen, die Fakten, die Daten …wir Triathleten lieben es. Unsere Garmin App ist unsere Gute-Nacht-Lektüre. Und wenn man dann noch mehr analytischen Kram und ‘ne Meinung vom Profi dazu bekommen kann, ist das genial.
Mein erstes Jahr vor der LD war eigentlich ein verschenktes Jahr, aber das würde ich natürlich nie zugeben. Spass hatte ich auch da schon. Aber ich hätte nach den ersten 365 Tagen schon weiter sein können, wäre ich früher in die Schulthess Klinik gegangen.
Anhand der Ergebnisse von dort plane ich mein gesamtes Training.
Und der Tag der Abrechnung ist einfach gnadenlos.
Da musst du einfach abliefern. Und da hörst du Sachen, die willst du nicht hören.
Aber fangen wir von vorne an. Die Indikation einer Leistungsdiagnostik ist ganz klar: der Wunsch nach einem strukturierten, erfolgsorientierten Training und auch einfach das Ziel, verletzungsfrei zu bleiben. Wenn du nicht weisst, wo dein Körper seine Grenzen hat, dann wird`s früher oder später blöd enden, dessen sind wir uns alle bewusst.
Die Diagnostik startet immer mit einem Gespräch. Wer bist du, was machst du, wie viel arbeitest du. Wofür und warum trainierst du. Was sind deine Ziele, was deine geplanten Wettkämpfe. Gibt es Nebendiagnosen, gab es Verletzungen in der Vergangenheit, so die übliche Anamnese. Alter, Körpergrösse und Gewicht werden gecheckt und dokumentiert. Und dann wird die Lakritztüte aufgerissen.
Ab aufs Laufband. Angebunden wir ein Pudel, damit man sich im Zweifelsfall nicht die Kauleiste rausschlägt (was mit meinem Zahnstatus ja ein Segen wäre – würde dann eigentlich die Haftpflicht der Klinik mir mein Zahnmodellächeln zahlen???).
Der Laktatwert wird vorm Start bereits zum ersten Mal erfasst (Mini-Piks ins Ohr). Mittels Pulsgurt wird dauerhaft meine Herzfrequenz im PC aufgezeichnet.
Kurze claudimässige Erklärung zum Laktat: Laktat (auch Milchsäure genannt) entsteht, wenn der Körper mehr Sauerstoff braucht, als er aktuell gerade zur Verfügung stellen kann. Laktat ist insofern der Feind, weil es auch verantwortlich für Muskelkater ist- und wer mag den schon. Die Laktatschwelle sagt mir, wie lange Bildung und Abbau von Laktat so im Gleichgewicht sind, dass ich gut funktionieren kann. Also wie lang der O2 in meinem Körper ausreicht, um den aktuellen Bedarf zu decken. Renn ich also ewig lange wie ‘ne Wildsau und bilde dabei massenhaft Laktat, kommt mein Körper früher oder später mit dem Abtransport nicht hinterher. Die Beinchen werden schwer und es dauert nicht lange und ich mache schlapp. Logischerweise ist also das Ziel des Trainings, dass diese Schwelle irgendwo hoch oben im Universum liegt, damit ich rennen kann wie n Weltmeister und die Beinchen dabei fresh bleiben.
Nach einem kurzen Warm-up im gewünschten Bereich geht`s dann scharf. Alle 3 min wird das Tempo gesteigert. Dazwischen sind 30 sec Pause, in denen es wieder einen kleinen Stich ins Ohr gibt, bei dem Blut zur Laktatbestimmung genommen wird. 30 Sec können so kurz sein ...und 3 min sooooo lange. Nach jedem Block will Ralf von mir mittels der BORG Skala wissen, wie sich das für mich angefühlt hat (easy peasy, langsam mühsam, ich will sterben, bitte töte mich sofort … so ungefähr, nur eben etwas professioneller steht es da auf seiner Liste).
Es ist hart. Es ist wirklich hart.
Ich kann ja bekanntlich nicht rechnen, das heisst ich sehe auf der Anzeige vom Laufband meine km/h. Und ich habe keinen Blassen, wie schnell ich gerade renne. Und es fühlt sich so langsam an. Bin es auch nicht gewohnt, auf dem Laufband zu rennen. Und es fühlt sich auch noch langsam an, wenn das Herz schon über die BORG Skala hinaus an die gegenüberliegende Wand gesprungen ist und du wirklich völlig hinüber bist.
Ralf sieht (und riecht und hört wahrscheinlich auch), wenn ich fast am Abnippeln bin. Dann feuert er mich an, zu kämpfen, mich zu konzentrieren und pusht mich nochmal, in der Hoffnung diesen für mich letzten 3-min-Block noch durchzuziehen.
Dann ein letzter Stich ins Ohr.
Die von der Schulthess Klinik für mich vorbereitete Trinkflasche und das Handtuch liegen bereit. Ich bin durch. Die Lakritztüte ist leer. Erleichterung, Angst und Enttäuschung zugleich. Schon vorbei, hast du wirklich alles gegeben, wäre nicht noch mehr gegangen? Was sagen wohl die Zahlen?
Ich kann in aller Ruhe duschen gehen, während Ralf sich vor den PC schwingt und in seinem Element ist. Danach gibt`s ein ausführliches Gespräch. Alle Daten, die aufgezeichnet wurden, bekomme ich sowohl als PDF als auch in ausgedruckter Form. Und weiss: Das sind meine Hausaufgaben bis zum nächsten Mal.
Es ist kein Kindergeburtstag und es endet auch nicht mit einem strahlenden Lächeln am Abend.
Aber das ist auch nicht der Sinn. Ich brauche niemanden, der mir sagt, wie toll ich bin und dass ich alle richtig mache. Ich brauche jemanden, der kritisch ist. Mir sagt, was in meinem Körper passiert und was ich im Training bzw. in meinem Alltag anpassen sollte.
Wie wichtig Grundlagenausdauer ist, habe ich erst verstanden, als ich mal die nackten Zahlen gesehen haben. Erst dann habe ich verstanden, dass das der wesentliche Bestandteil meines Sports sein sollte und nicht die Einheiten am Limit oder darüber hinaus.
Danach habe ich meine Marathonzeit innerhalb von 10 Monaten um knapp 27 min verbessert. Weil mein Training nach meinen Werten lief- nach den Werten, die ich bei der Leistungsdiagnostik erfahren habe.
Wie wichtig Erholung ist, habe ich erst gesehen, als ich von Ralf (oder besser von meinen eigenen Zahlen) schön eins auf den Sack bekommen habe. Auch das habe ich in Angriff genommen und mein Schlafpensum seit Anfang 2020 drastisch gesteigert. Trotzdem ist auch jetzt das Thema Recovery für mich wieder mit auf der Hausaufgabenliste gelandet. Die Belastung zwischen einem 100-%-Job, der Planung einer Weltreise und den aktuellen Trainingsumfängen unterschätze ich. Auch wenn ich mich leistungstechnisch seit der letzten Analyse erneut verbessert habe, zeigen meine Zahlen, ich bin „gestresst“. Also vielleicht nicht ich als Claudi, aber der Körper, der da dran hängt. Ich selbst spür mich ja bekanntlich nicht so gut.
Die Lösung steht schon vor der Haustür oder besser gesagt vor der IronVan Tür. Dann fällt der 100-%-Job weg und dementsprechend wird der Erholung dann auch mehr Beachtung geschenkt.
Andere Hausaufgabe: die Ernährung. Aber dazu in einem anderen Blog dann mehr.
Take-Home-Message:
Jedem, aber auch jedem, der Sport betreibt, egal ob ab und an mal go jöggele oder als Vorbereitung auf einen Wettkampf, kann ich nur wärmstens eine Leistungsdiagnostik empfehlen. Die Zahlen sind einfach Gold wert und der Körper wird es dir danken. Und wenn du Wert auf geile Qualität legst, dann unbedingt ab in die Leistungsdiagnostik der Schulthess Klinik in Zürich (die machen übrigens auch andere Sachen wie Spiroergometrie, FTP Test, Körperfettmessung, Sprungkraftanalyse etc.).