42 Hunkemöller BH`s? Verdammt, ich hab doch nur zwei Öcken.
Wieso habe ich so viele Tassen im Schrank, so viele Freunde hab ich gar nicht, die auf einmal bei mir Kaffee saufen könnten? Wieso habe ich 8 Platzdeckchen aber nur 4 Sitzplätze?
- Ökopussy
photocredits: #theoneandonly frederic diserens
Ich schäme mich richtig. Richtig, richtig doll.
Kennst du das, wenn etwas, das eigentlich immer völlig normal für dich war, plötzlich so absurd scheint.
Mit dem Veggy Leben und der Umstellung auf ein bewusstes, nachhaltiges Leben und mit dem Verzicht auf Plastik ging es mir damals schon ähnlich. Es war mir richtig peinlich, dass mir das alles immer so egal war und ich mir nie Gedanken zu der Thematik gemacht habe.
Genau das erlebe ich jetzt wieder, wo ich all mein Zeugs verscherbel und nur das behalte, was in meinen IronVan passt und mitkommt, in mein neues Leben.
Plötzlich stehe ich da, vor den 180 Paar Highheels und frage mich, warum ich jemals dachte, soviel Schuhe zu brauchen. Ich stehe in meinem Ankleidezimmer und ersticke in Klamotten. Meine Shopping Zeit ist Jahre her. Meine Tussizeit endete, kurz nachdem ich vor 7 Jahren in die Schweiz kam und die Liebe zum Sport entdeckt habe. Plötzlich wurde in Laufklamotten und Bikinis investiert, statt in Lidschatten und Handtaschen.
Die Sachen sind alle alt, trotzdem noch in einem super Zustand, weil ich durch die Menge, die ich besitze, ja alles nicht wirklich oft getragen habe.
Aber was hat mich geritten, dass ich dachte, ich brauche H&M Blusen in 12 verschiedenen Farben? Oder 42 Hunkemöller BH`s? Verdammt, ich hab doch nur zwei Öcken.
Ich habe mehr Hosen, als der Monat Tage hat. Und wozu? Dafür, dass ich vielleicht vier Paar besitze, in denen ich mich wirklich wohl fühle und die ich gerne trage.
Soviel sinnloses Geld habe ich in so viele sinnlose Sachen investiert. Und wie dumm das war, das wird mir jetzt erst bewusst.
Der Prozess des Minimalismus hat nicht über Nacht funktioniert. Bewusst habe ich schon Ende letzten Jahres die ersten Möbel verkauft um mir über ihren eigentlichen Inhalt klar zu werden, in dem ich ihn vor Augen habe. Auf dem Fussboden, oder in Kisten. Der Inhalt meiner Kommode im Bad endete in 3 Umzugskartons. Die Sachen waren "aus den Augen" und vermisst hab ich nichts davon. Nachdem das Zeug einen Monat so in der Ecke stand und ich nie den Deckel geöffnet habe, war klar, alles was da drin ist kann in die Tonne. Und wenn du es in der Hand hast, dann denkst du wieder….oh nein, das brauche ich doch alles. Ne…eben nicht. Was brauche ich wirklich und was hat einen emotionalen Wert (meine Masse an Schlübbis definitiv nicht).
Ich habe Sachen, die hab ich mir damals vom Munde abgespart, als ich für n paar Hundert Krücken und mit 2 Nebenjobs noch in Deutschland gearbeitet habe. An denen hänge ich, weil ich weiss, wie lange ich für die gearbeitet habe und wie sehr ich mich damals darüber gefreut habe, sie mir leisten zu können. Aber das macht sie jetzt auch nicht nützlicher für mich.
Wieso habe ich so viele Tassen im Schrank, so viele Freunde hab ich gar nicht, die auf einmal bei mir Kaffee saufen könnten? Wieso habe ich 8 Platzdeckchen aber nur 4 Sitzplätze? Wieso habe ich etliche Badehandtücher, aber nur einen Hintern, den ich abtrocknen muss? Wieso habe ich 7 Schwimmbrillen, aber nur 2 Augen. Wieso hab ich vier Parfüms, aber mache doch eh eine Flasche nach der anderen leer. Wieso hab ich eine ganze Schublade voll Duschgels und Cremes auf Vorrat gekauft (weil es gerade im Angebot war)- ich aber wenige Monate später checke, wie dämlich Plastik und Chemie ist und wasche mich effektiv mit Waschlappen und Seife im Stück?
Ich sage nicht, dass ich in Zukunft leben will, wie ein Neandertaler und mir nichts gönnen werde.
Ich werde weiterhin auch Geld für Quatsch ausgeben, für Dinge, von denen ich denke, dass ich sie brauche, auch wenn es nicht so ist. Aber meine Definition von Luxus hat sich geändert. Luxus ist, eine leere Wand in der Stube, an der ich jetzt Handstand üben kann.
Luxus ist zwischen mehreren Laufschuhen wählen zu können, obwohl 2 Paar es auch tun würden. Und Luxus ist zu wissen, dass man kein schlechterer Mensch ist, nur weil man jeden Tag die gleichen Sneakers oder die gleiche Winterjacke trägt.
Zwei von vier Fahrrädern habe ich verkauft. Meine Winterhure und mein Mountainbike. Ich muss euch sicher nicht sagen, dass mir das nicht leichtgefallen ist. Von etlichen Badekappen mich auf 3 zu beschränken (was immer noch zu viele sind) war dagegen ein Zuckerschlecken, auch wenn die meisten von irgendwelchen Races sind, an die ich mich gerne erinnern möchte. Aber die Erinnerung nimmt mir ja keiner, nur weil dat Käppchen jetzt in der Tonne liegt und nicht jeder auf der Nachbarbahn sehen kann, was ich für ne harte Ratte bin, dass ich Ironman mache.
Der Gedanke, mit denen ich mich selbst am meistens übers Ohr gehauen habe:
Ich brauche das nochmal, falls das andere kaputt geht.
Verdammte Axt, es ist 2021. Was kann kaputt gehen, dass ich nicht innert 24h wieder auftreiben kann? Ich hab ja auch kein zweites Handy in der Schublade, falls meins den Geist aufgibt (was wirklich ne absolute Katastrophe wäre).
Vielen Sachen habe ich im Web verkauft, vieles hab ich auch einfach verschenkt. Und es ist so schön zu sehen, wie andere Freude an Dingen haben, die bei mir einfach irgendwo im Schapp vor sich hingegammelt sind.
Und es ist was dran, an der Aussage: Sich materiell auf weniges zu beschränken, macht Platz im Herzen und macht soooo frei.
Vielleicht konnte ich dich hiermit motivieren, irgendeinen Mist, den du zuhause hast wegzuhauen, bzw. den wirklichen Nutzen zu hinterfragen.
Das grosse Glück, das wir in unserem Land und zu unserer Zeit solch "Probleme" haben ist eigentlich allein schon ein Grund, sich in Grund und Boden zu schämen. Menschen in anderen Ländern wären froh um ein paar Schuh, um ein Shirt, um eine Mütze…und wir können uns damit bewerfen.